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Carl Ischer
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   Warum weiß Jesus nicht Alles?

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Warum weiß Jesus nicht alles,
wenn er doch nach der Lehre der Trinität Gott ist?

Diese eher rethorische Frage stellt z.B. gern ein gewisser Abu Hamza (bürgerlich: Pierre Vogel), um damit den Beweis zu konstruieren, dass Jesus nicht göttlich wäre, bzw. die Lehre der Trinität falsch sei. Er will damit erreichen, dass Christen und Muslime gegeneinander gestellt werden. Besser wäre es aber, so denke ich, die Gemeinsamkeiten zu suchen! Denn viele der christlichen Lehren werden im Koran angeführt, aber von solchen Scharfmachern, wie dieser Herr völlig ignoriert!

Vorbetrachtung

Abu Hamza bezieht sich dabei genau genommen auf zwei Bibelstellen, welche ich zunächst einmal anführe.

      Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
      (Matthäus 24, 36)
      Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
      (Markus 13, 26+32)

Ja so wie angeführt erscheint es zunächst als logisch, dass Jesus hier als nicht göttlich erscheint. Solche feinsinnigen „Theologen” benutzen dabei einen üblichen Trick. Sie benutzen einen Textschnipsel und dann bauen sie darauf eine, dann meist äußerst abstruse These auf. Dann gibt man einfach vor, dass dies dann der Stein des Weisen wäre. So primitiv und simpel kann man aber an diese sehr wichtigen Texte nicht heran gehen, denn sonst bleibt alles im Dunkeln. Menschen mit solchen Ansätzen haben ein großes Problem, welches Jesus sehr deutlich benannt hat.

      Aber ich will euch sagen, weshalb ihr das nicht versteht: weil ihr überhaupt nicht in der Lage seid, auf meine Worte zu hören!
      Denn ihr seid Kinder des Teufels. Und deshalb tut ihr bereitwillig das, was euer Vater wünscht. Der war schon von Anfang an ein Mörder und stand nie auf der Seite der Wahrheit, denn sie ist ihm völlig fremd. Sein ganzes Wesen ist Lüge, er ist der Lügner schlechthin - ja, der Vater jeder Lüge. Mir aber glaubt ihr nicht, weil ich die Wahrheit sage.
      (Johannes 8, 43 bis 45 /Hoffnung für Alle)

Jesus spricht hier ganz klar an, das es da Einen gibt, der Interesse daran hat zu lügen. Gerade solche feinsinnigen „Theologen” meint Jesus mit dem hier angeführten Text. Menschen, die meinen, Alle müssten ihrer beschränkten Ansicht folgen. Dabei ist es ganz egal ob das nun auch wirklich der Wahrheit entspricht. Es geht ja dabei nicht wirklich um ein Forschen nach der Wahrheit, sondern eher um den Versuch die Wahrheit zu verschleiern. Wie erkennt man nun, ob eine Auslegung an der Wahrheit orientiert ist. Wie erkennt man diesen feinen Unterschied in einer Auslegung? Zunächst kann man klar sagen, das eine Auslegung, welche mit Strafe droht, nicht aus Gott ist.

      Wir sind von Gott, und wer Gott erkennt, der hört uns; wer nicht von Gott ist, der hört uns nicht. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.
      Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott.
      Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe. ...
      Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. (1. Johannes 4, 6 bis 8 und 18)

Eine Lehre die es notwendig hat mit Strafe zu drohen beschwert das Herz, macht trostlos und auch oftmals krank. Es kann aber auch sein, dass daraus sogar purer Hass entsteht. Hass auf alle Anderen, die nicht der gleichen Ansicht sind. Die Bibel lehrt aber sehr ausführlich die Nächstenliebe und nicht den Hass!

      Du sollst auch nicht auftreten gegen deines Nächsten Leben; ... Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.
      (aus 3. Mose 19, 16 und 18)

sowie Jesu dazu:

      Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«
      (Matthäus 22, 39)

      Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
      (Markus 12, 30)

      Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst«
      (Lukas 10,27)

Und wenn man den Koran wirklich ernst nimmt, dann ist auch da die Liebe zum Nächsten zu finden.

      ذَٲلِكَ ٱلَّذِى يُبَشِّرُ ٱللَّهُ عِبَادَهُ ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ وَعَمِلُواْ ٱلصَّـٰلِحَـٰتِ‌ۗ قُل لَّآ أَسْــَٔلُكُمْ عَلَيْهِ أَجْرًا إِلَّا ٱلْمَوَدَّةَ فِى ٱلْقُرْبَىٰ‌ۗ وَمَن يَقْتَرِفْ حَسَنَةً نَّزِدْ لَهُۥ فِيهَا حُسْنًا‌ۚ إِنَّ ٱللَّهَ غَفُورٌ شَكُورٌ (٢٣)
      (Sure 42:23)
      wörtliche Übersetzung;
      Dies ist dasjenige, was verheißt Allah seinen Dienern, denjenigen, die überzeugt sind und das Rechtschaffene gehandelt haben. Sag: Nicht frage ich euch gegenüber nicht nach Lohn, außer die Liebeszuneigung innerhalb die Nahen. Und dem, der erwirbt Wohlgefälliges, mehren wir für ihn innerhalb ihr Wohlgefälliges. Wahrlich Allah ist Allvergebend, Dankbarer.
      (Wird aber allgemein mit dem Verwandten übersetzt, weil man hier wohl oft eher engstirnig denkt!)

Die Nächstenliebe macht so gesehen frei und die von Angst freie Lehre auch! Das eine Lehre korrekt ist, erkennt man an einem einfachen Bild der Bibel. Als die Emmaus-Jünger die Begegnung mit Jesus hatten hatten sie ein besonderes Gefühl.

      Und sie sagten zueinander: Brannte nicht unser Herz, als er unterwegs mit uns redete, als er uns die Schriften aufschloss?
      (Lukas 24, 32)

Brennende Freude hatten diese Jünger in ihren Herzen. Ich muss bekunden, dass ich solch ein Erleben auch schon oft in den Gottesdiensten der Kirche hatte.

Nun wusste aber Jesus, dass ganz viele der Zuhörer seine Theologie der Selbstaufopferung nicht verstanden. Die meisten der Menschen suchten eher einen neuen König oder einen Herrscher, dem sie folgen konnten. Einen siegreichen Heeresfürsten, der alle Feinde hinwegfegt. Daher waren die Vorstellungen der Menschen und die Lehre Christi sehr weit voneinander entfernt. Nur ist denn Krieg eine Lösung? Was folgt denn aus einem Krieg? Es folgt doch nur neuer Hass! Genau das wollte Jesus eben nicht lehren. Er wollte eher, dass wir aufeinander zu gehen!

Damit nun auch Alle einen Zugang zu der Lehre Christi finden konnten, versuchte Jesus sich mit Gleichnissen verständlich zu machen. Also Bilder über Dinge, die die damaligen Menschen aus ihrem Alltag kannten. Die Theologen damals waren oft zu weit aus dem Alltag genommen, um den Menschen wirklich nahe zu sein.

      Und er redete vieles zu ihnen in Gleichnissen und sprach:....
      Und die Jünger traten hinzu und sprachen zu ihm: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen?
      Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist's nicht gegeben.
      Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
      Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit h/ouml;renden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht.
      (Matthäus 13, aus 3 und 10 bis 13)

Kommen wir nun zur obigen Frage und ich will mich bemühen es mal einfach und verständlich zu erklären, warum die von dem oben genannten Scheintheologen vertretene These nicht der Wahrheit entspricht! Bei der Betrachtung der Sachlage müssen wir zwei Ebenen betrachten. Den Kontext der Schriftstelle und die Aussage der Schriftstellen zum Kontext der damaligen Zeit.

1. Kontext der beiden Schriftstellen

Wichtig ist bei allen heiligen Schriften den Text immer im Kontext (=Textzusammenhang) zu betrachten, denn nur dann erkennt man auch, was der Text uns sagen will. Daher führe ich hier nochmals die Bibelstellen an, diesmal aber im Kontext und dazu den griechischen Urtext.

      Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
      Denn wie es in den Tagen Noahs war, so wird es sein beim Kommen des Menschensohns.
      (Matthäus 24, 36+37)
      Περὶ δὲ τῆς ἡμέρας ἐκείνης κ αὶ ὥρας οὐδεὶς οἶδεν, οὐδὲ ο ἱ ἄγγελοι τῶν οὐρανῶν οὐδὲ ὁ υἱός, εἰ μὴ ὁ πατὴρ μόνος.
      Ὥσπερ γὰρ αἱ ἡμέραι τοῦ Νῶε, ο ὕτως ἔσται ἡ παρουσία τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου.
      (Matthäus 24, 36+37)

      Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit.
      Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
      (Markus 13, 26+32)
      καὶ τότε ὄψονται τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐρχόμενον ἐν νεφέλαις μετὰ δυνάμεως πολλῆς καὶ δόξης.
      Περὶ δὲ τῆς ἡμέρας ἐκείνης ἢ τῆς ὥρας οὐδεὶς οἶδεν, οὐδὲ οἱ ἄγγελοι ἐν οὐρανῷ οὐδὲ ὁ υἱός, εἰ μὴ ὁ πατήρ.
      (Markus 13, 26+32)

Der griechische Begriff für den Sohn ist „υἱός”. Während im Mathäusevangelium des Codex Sinaiticus der Begriff deutlich ausgeschrieben ist, so steht zunächst dort im Urtext des Markus nur der Kurzform. Betrachtet man nun den Markus als das ältere Evangelium, aus dem dann so gesehen die anderen entwickelt wurden, dann hat auch dieser Umstand durchaus Relevanz. Aber lassen wir das mal bei Seite, weil es hier nur verwirren würde.

Was fällt denn beim Betrachten des Textes sofort auf, wenn man die rot markierten Teststellen sieht.

Ganz klar unterscheiden beide Schriftstellen zwischen den Begriffen „Menschensohn” und „Sohn”. Der kommende Menschensohn, also der heute in der Herrlichkeit Gottes lebende Gottessohn, der in der Trinität ganz Gott selbst ist, wird mit dem allgemeinen Begriff des Sohnes so gesehen verglichen. Während der eine ganz Gott ist, ist der Sohn ohne dem Zusatz Menschen... der auf der Erde lebende Sohn Gottes, der in seinem Leben hier ganz gleich uns Menschen war. Während der eine Begriff den ewigen Gott und Christus bezeichnet, so ist der andere Begriff der sterbliche Mensch Jesus. Man muss also bei dieser Aussage genau das unterscheiden. Genau hier liegt der Knackpunkt, den Abu Hamza völlig übersehen hat! So einfach kann es manchmal sein vermeintliche Unstimmigkeiten einzuordnen.

2. Kontext zur Zeit

Ein weiterer Ansatz der beachtet werden muss, ist der Ansatz über die Zahlen.
Das damalige hebräische Zahlensystem konnte Zahlen bis max. 999 erfassen, wobei es Zahlen für die Einerstellen, die Zehnerstellen und die Hunderterstellen gibt. Die jeweils größten Zahlen sind dann;

ץ für 900
צ für 90
ט für 9

Danach muss man eine erneute Zahlengruppe schreiben, welche exakt getrennt geschrieben werden muss. Folglich ist die höchste erfassbare Zahl die 999. Alles danach ist nur noch rechnerisch ermittelbar, was nicht so ganz einfach ist. Auch die Jahreszahlen haben sich daher nach dieser Regel orientiert. Die Zeit in der Jesu lebte, war nach jüdischer Zeitrechnung etwa die Zeit zwischen dem Jahr 3761 und 3791. Das wurde dann so gesehen mit den damals möglichen Jahreszahlen 761 bis 791 erfasst. Die tausender Stelle ließ man dann, weil eher unbekannt einfach weg.
Weiterhin orientierten sich die Jahreszahlen an dem שנת היובל (Halljahr, Jubeljahr oder Erlassjahr), welches nach dem siebenden Sabbatjahr begangen wurde. Das wären dann so gesehen 49 Jahre. All das muss man bei der Betrachtung der damals bekannten Zahlen und Jahresregeln beachten.
Das rechnen nach dem griechischen Zahlensystem, war in Israel eher fast unbekannt. Lediglich das römische Zahlensystem, wegen der Steuerberechnung war dann so gesehen da bekannt. Die größte, mit römischen Ziffern darstellbare Zahl ist aber die 3999.
Wenn man nun noch bedenkt, dass die Jünger keine Wissenschaftler sondern einfache Fischer waren, dann wird auch klar warum Jesus diese Jahreszahl nicht ansagte.
Weder nach dem hebräischen noch nach dem römischen System, war es damals dann so gesehen möglich, z.B. das heutige Jahr 2021 n. Chr. exakt anzugeben, was ja nach dem jüdischen Kalender dem Jahr 5782 bzw. 5783 entsprechen würde.

Diese Jahreszahl 5782 kann man schon mal mit den römischen Zahlen gar nicht klar benennen!

Wie sollte er seinen Jüngern z.B. das Jahr 5781 (2020 n.Chr.) mit dem hebräischen Zahlensystem eindeutig angeben? Es wäre ja nach obiger Betrachtung das Jahr 781!

Nur welches 781 dann?

Ist es dann das Jahr 781 also das Jahr 20 n. Chr.?
Dann wäre der tausender Wechseln im Jahr 239 n. Chr. erfolgt und die Zählung begann von vorn.
Oder sollte es dann vielleicht das Jahr 781 sein, was dann dem Jahr 1020 n. Chr. entspricht?
oder dann doch das Jahr 781 also dann das Jahr 2020?
Die Festlegung der Jahreszählung nach Hillel II. ca. (350 bis 365 n.Chr,) setzte sich letztlich erst im 11. Jahrhundert wirklich durch.

Man könnte das Spiel noch weiter treiben. Es war Jesus mit dem damaligen Möglichkeiten schlichtweg nicht möglich den Jüngern auf diese Frage eine eindeutige Antwort zu geben. Selbst wenn er sich festgelegt hätte, wäre es für seine Zuhörer immer noch reine Spekulation!

Zusammenfürung der beiden Analysen

Nun bringen wir mal beide Betrachtungen zusammen und machen daraus eine Einheit. Der Menschensohn, welcher die göttliche Präzision besitzt, hätte schon eine Zahl angeben können.

Was aber hätte es gebracht, wenn er den Jüngern etwas gesagt hätte,
was selbst die damaligen Gelehrten kaum verstanden hätten?

So ist es also ganz einfach zu erklären, dass der Gott-Menschensohn-Jesus es zwar genau,
wie der Gott-Vater weiß,

es aber als Sohn - also als Mensch - schlichtweg nicht eindeutig
mit den damaligen Möglichkeiten benennen konnte.

Aber auch wenn er nach heutigen Möglichkeiten eine Zeitangabe gegeben hätte, die 2000 Jahre in der Zukunft läge, was würde das für einen Sinn machen? Ein Mensch lebte damals durchschnittlich 30 bis 40 Jahre. Genau auch das ist ein Grund, warum Jesus dazu keine Aussage machte, da er ja zu diesem Zeitpunkt rein rechnerisch und nach Menschenalter auch er nicht mehr leben würde. Ich plane auch nicht für das Jahr 5000 n. Chr. Wozu sollte man das auch tun?

wissenschaftlich theologische Analyse

Die Betrachtungen zu diesem Thema von Papst Benedikt XVI, also von Joseph Ratzinger sehen dann so aus.

Diese Bibelverse werden aber auch schon seit den Zeiten der Apostolischen Väter unter Dogmatikern und Exegeten heftig diskutiert. Im Laufe der Zeit haben sich theologisch zwei Hauptantworten herauskristallisiert:

    1. Allen Lösungen ist die durch das Dogma verbürgte Erkenntnis gemeinsam, dass in Christus zwischen seinem menschlichen und göttlichen Wissen unterschieden werden muss. Christus war nicht nur der gleichwesentliche Sohn des ewigen Vaters, sondern ebenso sehr voller, gleichwesentlicher Mensch mit uns, der, wie die Dogmen des 5. und 7. Jahrhunderts herausgestellt haben, auch einen eigenen menschlichen Verstand und menschlichen Willen und so auch eine menschliche Weise des Wissens besaß. Klar ist weiterhin, dass sich die Aussage Mt 24, 36 auf das menschliche, nicht auf das göttliche Wissen Jesu bezieht. Umstritten ist allein die Frage, wie sich menschliches und göttliches Wissen in Jesus zueinander verhalten. Die Theologie des Mittelalters kam diesbezüglich zu der Meinung, dass beiderlei Wissen sich so eng durchdringe, dass Jesus auch als Mensch an der göttlichen Allwissenheit Anteil habe. Um dennoch das Problem von Mt 24,36 und ähnlichen Versen lösen zu können, unterscheidet man dann zwischen mitteilbarem und nichtmitteilbarem Wissen. Zwar habe Jesus für sich selbst kraft seiner Anteilnahme am Ewigen Wort alles Wirkliche geschaut, aber er sei mit einem festumrissenen Offenbarungsauftrag in diese Welt getreten und zu diesem Offenbarungsauftrag gehörte nicht das Datum des Jüngsten Tages. So konnte er mit Recht in Bezug auf das ihm zur Mitteilung zur Verfügung stehende Wissen sagen, dass es Zeit und Stunde des Weltendes nicht umfasse. Das Wissen darüber wird gleichsam nicht freigegeben, es gehörte nicht zum göttlichen Offenbarungsbestand.

    2. Moderne Deutungen gehen noch einen Schritt weiter. Sie sagen, dass Jesus mit dem Grunde seiner menschlichen Seele immer eingetaucht war in das göttliche Wort, mit dem er ja eine Person bildete, dass aber diese Verbindung, die den Grund seines Seins prägte, nicht auch sein menschliches Bewusstsein mit allen Details der göttlichen Allwissenheit erfüllte, sondern es nur so weit durchdrang, soweit dies für seinen Offenbarungsauftrag nötig war. Auf diese Weise wird es möglich, ein echtes menschliches Wissen und Wachsen bei Jesus anzunehmen, ohne dass man seine seinsmäßige Einheit mit der zweiten Person der Trinität in Frage stellt. Das Gesamtbild der Evangelien, die uns Jesu wahre Menschlichkeit so unmittelbar erleben lassen, wird auf diese Weise verständlicher. Nach dieser Auslegung konnte Jesus mit vollem Recht sagen, dass er, obgleich vom Grunde seines Seins her der „Sohn”, dennoch das Datum des Letzten Tages nicht wisse, weil der göttliche Grund seines Seins seinen menschlichen Verstand nicht darüber belehrte. Wie Sie sehen, ist diese Lösung mit der Unterscheidung von mitteilbarem und nicht mitteilbarem Wissen zwar verwandt, aber sie streift den etwas fiktiven Charakter dieses Gedankens ab und versucht, ebenso dem vollen Ernst der Gottessohnschaft Jesu wie dem vollen Ernst des biblischen Wortes gerecht zu werden.

Anmerkungen:

Als apostolische Väter werden christliche Autoren von kirchlich bedeutsamen Schriften aus dem späten ersten und der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts bezeichnet. (z.B. Clemens von Rom, Ignatius von Antiochien, Polykarp von Smyrna, Hermas, u.W.) Diese Bezeichnung ist seid dem 17. Jahrhundert so geprägt. Man wollte damit den persönliche Bezug der Schreiber zu den Aposteln kenntlich machen und sie ebenso von den Luther-Apokryphen (Deuterokanonischen Schriften) und den wirklichen Apokryphen der Septuaginta zu unterscheiden.

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